Tango By Year
ein Tango-Encuentro und Podcast der besonderen Art
Hier
kannst du Tango By Year auf Soundcloud nachhören - und
Michael Lavocah SPENDEN!!!!
Einführung
Mit seinen Büchern und Vorträgen hat Michael Lavocah bei
vielen das Interesse für die Geschichte der
Tango-Orchester geweckt. Die Tango by Year-Abende, zu
denen sich jeden Mittwoch um 20.00 Uhr bis zu 200 Fans
zusammenschalten, ermöglichen nun Online neue Einblicke in
die Tangokultur.
Der norwegische DJ Dag Stenvoll stellt eine Playlist mit
25 bis 30 Tangos eines Jahres zusammen. Michael Lavocah,
Tango Experte, Buch-Autor, DJ und wandelndes Lexikon aus
Norwich/England, der Dags Auswahl vorher nicht kennt,
kommentiert, erzählt Anekdoten, plaudert informativ mit DJ
Dag und teilt so ganz entspannt mit seinen über Zoom
zugeschalteten Zuhörern sein schockierend umfassendes
Wissen.
Der Beginn
Dag, der in Bergen/Norwegen die als Verein organisierte
rege Tango-Gemeinde als DJ und Veranstalter prägt, litt
nach dem Lockdown darunter, dass er weder tanzen gehen
noch Musik auflegen konnte, doch Online-Milongas fand er
wenig inspirierend. Spontan schlug er daher seinem Freund
Michael Lavocah ein neues Format vor: einen Talk, bei dem
die Tangomusik und Tangokultur eines ausgewählten Jahres
Thema sein sollte anstatt wie bisher Orchester, Genre,
Instrument oder Tanzbarkeit.
Eine Woche später und mit ein wenig Werbung in den
entsprechenden Facebook-Gruppen fanden beachtliche 60 Fans
über Zoom zusammen. Nun, ein knappes Jahr später, wurden
die Podcasts schon über 16.000 Mal auf Soundcloud
gestreamt, 200 Fans schalten sich mittwochs regelmäßig zu
„Tango by Year“ aus aller Welt zusammen, sodass manche
gerade in ihr Frühstücksbrot beißen, während die anderen
vor dem Bildschirm einen Mitternachtstrunk schlürfen und
die argentinischen Teilnehmer gerade ihr Lunch verdauen.
Das Konzept reift
Nach dem ersten Treffen war allen klar: Wir wollen mehr!
Die angesetzten zwei Stunden waren zu kurz, kaum einer
wollte sich schon wieder ausloggen. Die beiden nahmen sich
von nun an mehr Zeit, und sie erfanden die Afterparty,
in der Michael spontan noch ein bis zwei Stunden weitere
originelle, abgelegene, ikonische Aufnahme des Jahres
spielt, sodass sich die Letzten erst weit nach Mitternacht
verabschieden.
Donation
Es war für beide Ehrensache, „Tango by Year“ frei
anzubieten, auf vielfache Nachfrage richteten sie aber auf
Soundcloud eine Spendenmöglichkeit für Michael ein, der
sein Leben ganz dem Tango verschrieben hat und natürlich
auch unter Corona leidet. => ALSO HÖREN und SPENDEN !!!
Auch inhaltlich entwickelte sich das Format:
Zum einen geht Michael mehr auf die politische und soziale
Entwicklung Argentiniens ein und referiert einführend, wie
es in diesem Jahr um die Tangokultur stand. Gleichzeitig
rückten die Texte der Stücke mehr in den Fokus. Und so
postet Dag mittlerweile nicht nur Titel, Sänger, Orchester
und Autor, sondern auch die oft sehr poetischen Verse, die
ja zurecht Teil des Weltkulturerbes Tango sind. Und sofern
ihm sein Vollzeitjob ausreichend Zeit dazu gelassen hat,
gibt es die englische Übersetzung noch dazu.
Eine warmherzige Plauderei
Weil Michael die Songs vorher nicht kennt, kann er ganz
frei und ungekünstelt erzählen, was ihm auf faszinierende
Weise gelingt: Zum einen spricht er ein flüssiges,
wunderschönes, bildreiches, blumiges, gut verständliches
Englisch. Zum anderen mischt er geschickt Grundsätzliches,
Bekanntes und entlegene Fun-Fakts und würzt und garniert
so liebevoll sowohl die Musik wie auch die von Dag
beigesteuerten Informationen. Er liefert Querverweise auf
ähnliche Erscheinungen bei anderen Orchestern oder in
anderen Jahrzehnten und gibt Ausblicke in andere Genres
wie Jazz, Klassik oder die Volksmusik der Zeit und webt so
einen bunten Teppich aus Musik, Fakten und Geschichten und
lässt uns jede Sekunde seine grenzenlose Begeisterung für
die Musik Argentiniens miterleben.
Dag seinerseits führt mit ruhiger Art in die Titel seiner
Playlist ein und regt das Gespräch durch treffende Fragen
und Einwürfe geschickt an
Die beiden sind alte Bekannte: Es war Michaels erstes
Buch, Tango Stories, das Dag auf die Fährte
der Tango-Historie lockte, sodass er 2016 Michael zum
ersten Mal nach Bergen zu Tangovorträgen einlud.
Ein 10-tägiger gemeinsamer Roadtrip zu einem 27
Autostunden entfernten Tango-Festival auf den Lofotten
nördlich des Polarkreises, während dem sie sich ausgiebig
über alle Facetten ihrer Tangobegeisterung austauschten,
besiegelte schließlich ihre Freundschaft.
Die Auswahl der Titel
Sehr akribisch und mit großem Zeitaufwand arbeitet Dag an
seiner Playlist, die sich deutlich von dem unterscheidet,
was wir in der Milonga zu hören bekommen.
Dag muss sich ja nicht an der Tanzbarkeit orientieren,
sondern kann einen viel breiteren Bogen schlagen. Und so
bereichern weniger Bekanntes, weibliche Stimmen, Sänger
mit Gitarrenbegleitung oder Tangos aus Italien,
Deutschland, Russland oder Japan die Playlist genauso wie
expressive bzw. lyrische Tango-Perlen, die Tänzer in der
Milonga eher verwirren würden. Denn Tango by Year soll ja
ganz bewusst kein Milonga-Ersatz, sondern ein Hörgenuss
sein.
Zweimal wichen die beiden bisher von Idee Tango by
Year ab:
Im Juli 2020 widmeten sie sich einen ganzen Abend lang dem
von beiden geliebten Anibal Troilo; Michael hatte
gerade die überarbeitete Auflage seines Troilo-Buchs
veröffentlicht. Das Silvester-Special verschrieb sich der
Liebe – und so gruppierte Dag nur Tangos in seine
Playlist, deren Titel amor beinhaltet.
Weil die beiden die große Zeit des Tango zwischen 1927
und 1955 eingrenzen, sind nach 25 Sendungen leider nur
noch fünf Jahre übrig. Aber zum Glück haben sie noch Ideen
für weitere Konzepte.
Das Soziale
Für viele Gäste, aber auch für Michael und Dag, sind
diese Mittwoch-Abende dann doch ein kleiner
Milonga-Ersatz: nicht aus der Perspektive der Tanzenden,
wenn man auch einige wenige in den kleinen
Bildschirm-Kacheln Ochos und Moulinetten tanzen sieht,
sondern wegen der sozialen Komponente. Man teilt seine
Passion mit Gleichgesinnten und sieht Freunde, aber auch
bisher Fremde, die einem mit jedem weiteren Tango-by
Year-Abend vertrauter werden.
Eine kleiner Ersatz für den fehlenden Milonga-Small-Talk
stellt allerdings der Chat dar.
Hello everyone wherever you are and whatever's
happening, here we are, sharing in the music, hurrah!
und ähnlich begrüßen sich einige untereinander, während in
den Minifensterchen gleichzeitig die Hände nach
Weingläsern, Knabbersachen, Strickzeug oder dem
Tanzpartner greifen.
Andere tauschen ihre Begeisterung über musikalische
Details aus und diskutieren, ob die Vals-Perle von 1928
eher wie bayrische Volksmusik, wie Vals Musette oder doch
wie eine Walzer-Komposition des Wieners Georg Kreisler
klingt. Und so manche intensive fachliche Diskussion aus
dem Chat setzen die Teilnehmenden in den nächsten Tagen in
der Facebook-Gruppe Tango by Year fort,
wobei gerade bei der Interpretation der Texte das Wissen
der Argentinier besonders hilfreich ist.
Dag und Michael ist bewusst, dass ihr Format keine
vollständige Dokumentation der Musik eines Tangojahres
ist, dennoch haben sie mit ihren Sendungen wunderbare
kleine Schätze produziert, die hoffentlich noch lange im
Netz auf Soundcloud weiterleben, um viele Tango-Fans zu
erfreuen.
Olli Eyding
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