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Orquesta Típica
Juan D'Arienzo

El Rey del Compás

(2022)

Juan D'Arienzo

14.12.1900  +14.01.1976

Status

Rhythmus-Maschine

Aufnahmen:

rund 1000

Spezialität:

Valses, Milongas und viel mehr

Kaufen:

Von 1935 - 1939 und noch viel mehr gibt es alles bei

www.tangotunes.comDon Xello hat auch vieles des späten D'Arienzo mit dem wunderbaren Sänger Ramos.

Aufnahmen von 1940 - 1949 hat

www.tangotimetravel.be perfekt restauriert.

Loca
1955 Live im TV


Diskografie

Eine schöne Diskografie findet man bei La Milonga di Alvin




Merkmale:

rhythmisch, Betonung aller vier Schläge, kraftvolles Klavier, Geigensoli auf der tiefsten Saite

Stil:

voller Energie und akzentuierter Rhythmen

Größter Hit:

"La Cumparsita" (1943)

Diese Schellack mit der Milonga

"La Puñalada" auf der Rückseite

wurde über 17 Mio. Mal verkauft!

Wichtige Sänger:

- Alberto Echagüe

- Hector Mauré

- Armando Laborde
- Osvaldo Ramos

Bedeutende Musiker:

- Piano: Rodolfo Biagi, Juan Polito, Fulvio Salamanca

- Bandoneon: Hector Varela

- Geige: Cayetano Puglisi






Der Rey del Compás

1936 revolutionierte Juan D’Arienzo mit seiner Musik den Tango in Buenos Aires. Praktisch im Alleingang machte er aus Tangohörern Tangotänzer. Ohne ihn gäbe es wahrscheinlich das große Goldene Jahrzehnt des Tango von 1936 bis 1945 nicht.


Was war passiert?

Die Tangowelt trauerte. Der tragische Tod Carlos Gardels erschüttert das Land. Tango wurde seit einigen Jahren vor allem gehört, weniger getanzt. Viele Orchester spielten tendenziell ruhiger und behäbiger, symphonischer, sehr verfeinert oder, in der Tradition Julio de Caros, musikalisch komplex, akademisch. Man genoss Tango-Canción mit Gitarrenbegleitung, hörte Tango im Kino, im Theater.

Und dann elektrisierte D’Arienzo die Stadt. Warum zogen die jungen Porteños in Scharen zu seinen Auftritten ins Ballhaus Chantecler, warum versammelten sich Fans im ganzen Land vor den Radioapparaten, wenn im gerade eröffneten Radiosender El Mundo der 'Rey del Compás' rockte?

Das Repertoire D’Arienzos war traditionell, viele Stücke stammten aus der Zeit der Guardia Vieja, also von vor 1920. Er arrangierte sie aber modern, frisch, fröhlich, nervös und mit großer Energie. Und er spielte schneller. Vor allem bauen seine Tangos auf einem zackigeren rhythmischen Fundament auf, einem Stakkato-Beat, der fast wie ein Metronom alle vier Schläge betont, während die meisten Orchester den 1. und 3. Schlag markierten.

Seine Fangemeinde wuchs. Er wurde zum Rey del Compás, zum König des Taktschlags ernannt.


Rodolfo Biagi trug entscheidend zu dieser rhythmischen Revolution bei. Er war ein alter Bekannter und ersetzte ab Ende 1935 den bisherigen, oft unzuverlässigen Pianisten.

Biagi spielte einfach frecher, unberechenbarer, synkopischer, seine wilden Zwischenspiele zwischen den Phrasen sind unverwechselbar. Die Nachfolger am Klavier, Juan Polito und Fulvio Salamanca, mussten ihn natürlich imitieren. Dies gelang beiden, und beide pumpten mit starker Technik und kräftigem Spiel weiter Energie in die Arrangements, die noch schneller und akzentuierter wurden. D’Arienzo hatte es geschafft. RCA Victor konnte gar nicht schnell genug pressen, Fans zahlten für seine Schellacks oft mehr als den empfohlenen Verkaufspreis. Viele seiner Zeitgenossen mussten oder wollten sich anpassen; die meisten Orchester spielten die nächsten Jahre deutlich schneller und rhythmischer.

D’Arienzo hatte den Tango wieder auf die Füße gestellt.



Rodolfo Biagi - Manos Bruchas

9 de Julio - der neue Stil

D'Arienzo tauchte im Chantecler oft erst später auf, so konnte seine Band am frühen Abend ohne ihn etwas freier spielen, experimentieren. An einem Abend im Dezember 1935 verlangte das Publikum, 9 de Julio, aber so, wie sie es vorher gehört hatten. D'Arienzo staunte selbst über seine energiegeladene, nervöse, frische Band, war begeistert und spielte den ganzen Abend so. 9 de Julio wurde am 31.12.1935 zusammen mit dem Vals Orillas del Plata aufgenommen, ein neuer Stil war geboren, die Epoqua de Ora des Tango war eingeläutet.

Die Rolle Biagis

Biagis Fills hüpfen wie kleine Kobolde zwischen die vom Orchester gespielten Phrasen, meist entschlüpfen sie der rechten Hand als rasend schnelle, hellklingelnde Tonkaskaden, doch auch mit der Linken grollt Biagi überraschend und frech in den Bass-Registern, und treibt das Orchester zwischendurch mit melodia ritmica für einige Takte voran oder übernimmt ein kleines Solo. In manchen Instrumentalen wie der Milonga La Puñalda, die einschlug wie ein Hammer, oder den Tangos El Flete, El Irresitible, El Horizonte scheint Biagi wie ein frecher Jazzer überall zu sein
Biagi wollte, wie er selbst im Interview sagt, dem Tango-Piano ein besondere Rolle geben, es sollte mehr leisten, als mit Akkorden den Rhythmus zu liefern und zu begleiten, es sollte im Orchester glänzen, vorherrschen.

Jetzt lebte er seine Vision aus. Zwar haben seine Fills auch etwas Wiederholendes, Musterhaftes. Sein nervöses, quirliges, vibrierendea Klavierspiel ist aber in jedem Fall der wichtigste Baustein für den Rausch, den D’Arienzo vor allem bei jungen Menschen der Stadt auslöste.


Die singende Saite

D'Arienzo nutzte über vier Jahrzehnte das Stilmittel des auf der tiefen Seite legato gespielten Solos, Cayetano Puglisi produzierte seit den Vierzigern bis in die Siebziger diesen legänderen Sound.
Im Jahr 1935 hatte D'Arienzo hierfür eine zweite "Erste" Geige: Alfredo Mazzeo zog dafür einen etwas größeren Viola-Bogen über die tiefe, also die E-Saite.




Radio El Mundo

Jaime Yankelevichs Radio Belgrano dominierte bis 1935 den Markt.
Doch 1935 expandierte Argentiniens größte Zeitung, EL Mundo, in den prosperierenden Radio-Markt und errichtete seine riesigen Übertragungsgebäude. Aus sieben Studieos, der größte Saal fasste 500 Zuhörer, wurde nun live ins Land übertragen.

Programmdirektor Pablo Osvaldo Valle formte 1936 Radio El Mundo zum "Tango-Radio", und wichtigster Blockbuster war ab Januar 1937 das Orchester Juan D'Arienzos, der El Mundo über Jahrzehnte fest verbunden blieb. Im ganzen Land saßen Menschen vor den Radios und hörten die treibenden Klänge des Rey del Compas.


Karneval in Montevideo

Als Folge der Übertragungen aus dem Studio A von Radio El Mundo spielte D'Arienzo den Karneval 1937 in Montevideo, wo die narrischen Tage damals sogar mehr Energie und Bedeutung hatten als in Buenos Aires.

Und so wechselte das Orchester nun die nächsten zwanzig Jahre am Ende des Karnevals in das Casino Hotel Carrasco in Montevideo, die Band verbrachte im Anschluss oft noch viele Wochen zur Erholung dort.

 

La Puñalada

Und 1937 in Montevido entstand auch der erste Superhit, die Milonga La Puñalada:
Weil Biagi mit der Komposition die eigentlich als Tango gedacht war, nichts anfangen konnte, arrangierte er sie als vibrierende Milonga, das Publikum war begeistert. Die Band nahm diese Milonga vier Mal (1937, 1943, 1951, 1963) auf.


Mehrere Orchester

Ähnlich wie Fresedo in den Zwanzigern stellte D'Arienzo nun B-Orchster zusammen, um allen Nachfragen nachkommen zu können. Er selbst tourte abends durch die Stadt und wedelte überall für eine Weile den Taktstab, die Geige hatte er ja schon Anfang der Dreißiger zur Seite gelegt.


Der Musiker D’Arienzo

D’Arienzo erblickte im Jahr 1900 das Licht der Welt. Die Mutter förderte die musikalische Begabung ihrer Kinder, der Vater, Besitzer einer kleinen Fabrik, hätte Juan lieber als Jura-Studenten gesehen, von ihm lernte der junge Juan aber den Sinn fürs Geschäftliche, schon früh erwies er sich als sehr geschickter Verkäufer.
D'Arienzo schloss dann mit 18 eine Ausbildung als Geiger ab und gründete ein Trio mit Ángel D'Agostino.

In den 20ern agierte er in Kinos, Theatern sowie mit Tango- und "Jazz"-Combos.
1928 gelang ihm die Gründung eines stabilen Sextetts mit Aufnahmen bei Electra, schon damals war Juan Polito dabei. 

1933 legte der Rey del Compás seine Geige zur Seite und zelebrierte sich von nun an als immer wilder agierender Orchesterleiter. Die musikalische Feinarbeit, natürlich nach seinen Vorgaben, überließ er zunehmend seinen Arrangeuren.


Der Komponist

Aus seiner Feder flossen dutzende Tangos, darunter so wunderbare Stücke wie Paciencia (1937, 1951), Hotel Victoria (1935) oder Bien Pulenta (1950).





Ein Sänger muss her: Alberto Echagüe (1909-1987)

Echagües Stimme verkörpert wie keine andere das Orchester, das Raubeinige seiner Phrasierung setzen wir selbstverständlich mit D'Arienzo gleich

Der 28-Jährige ersetzte im September den bisherigen Sänger Jorge Cabral. Echagües männliches Auftreten, sein Flair des Compardrito, des Typen von der Straße, gibt dem Sound mehr Reife und Tiefe, viele Sänger D'Arienzos werden sich an seiner erdigen, etwas dreckigeren Art des Vortrags orientieren.


Der Start war allerdings zunächst schwierig, obwohl es Pablo Osvaldo Valle war, der Echagüe für D'Arienzo entdeckt hatte. Denn die Plattenfirma Victor verweigerte zunächst Aufnahmen mit dieser ganz anderen Stimme und Radio El Mundo gestand ihm nur eine Nummer pro Auftritt zu, das Publikum sollte sich langsam an ihn gewöhnen.


Doch Echagüe setzt sich durch, Indiferencia, La Bruja, Mandria, No mientas oder Santa milonguita sind die großen Hits dieser Jahre, in denen das Orchester mit frischen, quirligen, nicht allzu dicht orchestrierten Arrangements dem rauhen Timbre dieser Stimme für eine Strophe und einen Chorus Raum lässt. Echagüe singt noch als Estribillista.


Zwar verließ Echagüe das Orchester Anfang 1940, kehrte aber sowohl 1944, als auch in den nächsten Jahrzehnten immer wieder zurück und lieh auch noch nach D'Arienzo Tod Nachfolgebands wie Los Solistas de D'Arienzo seine Stimme und stand bis Anfang der Achtziger auf der Bühne.





Der Meister und seine Musiker


Biagi fliegt raus

Osvaldo Pugliese, überzeugter Kommunist, führte sein Orchester wie ein Kollektiv. D’Arienzo war aus anderem Holz geschnitzt. Als Biagi Mitte 1938 für ein Klaviersolo einen so stürmischen Applaus erhielt, dass er aufstand und sich dafür verbeugte, musste er gehen, so wird erzählt. Allerdings geht man davon aus, dass Biagi schon längst mit einer eigenen Karriere geliebäugelt hatte. Neben dem Meister war jedenfalls kein Platz für einen zweiten Star.


Juan Polito - der neue Pianist

Hier gibt es mehr Info zu Polito

Politos Spiel erreichte zwar nicht das Nervöse, Verspielte von Biagi, doch er war ein erfahrener Musiker und schon lange im Geschäft. Die Fills werden weniger, dafür ist das Klavierspiel nun kräftiger und fundierter.


Das wilde Dirigenten-Männchen

In dieser Zeit entwickelte D’Arienzo auch seine legendäre, wilde Art zu dirigieren. Seine Musik, sein Orchester wirkten dadurch noch energetischer.

D’Arienzos Musiker berichten, dass das Orchester einfach anders klang, wenn der Maestro fuchtelnd vor ihnen stand, provozierte, lächelte, anfeuerte und sie dazu trieb, alles zu geben.

All dies sieht man wunderbar verdichtet im legendären Fernsehauftritt mit dem Tango Loca (1955).
Die nun schon etwas gereiften Herren pumpen in einer wilden, präzisen Choreographie ihre Bandoneons und streichen ihre Geigen, während davor eine bucklige Figur wie eine Karikatur mit riesiger Nase wild mit dem Finger fuchtelnd seine Musiker antreibt.

Funfact: Mario Bustos war von dem Wackelnden einmal so generft, dass er ihm vor laufenden TV-Kameras in die Finger biss!

Der Rey del Compás war auch der König des Orchesters. Man hatte Respekt vor dem Meister, das Raubein lebte nur für seine Musik und seine Musiker, unterstütze sie und half ihnen, wo er nur konnte. Gleichzeitig kontrollierte er aber den perfekten Sitz der Anzüge genauso penibel wie den Sound seines Orchesters.


1940 Ein neues Orchester für den König

Das argentinische Journal Antena berichtete im April 1940:


D’Arienzo, der regelmäßig für einige Stunden nach Buenos Aires kommt, hat sich sein neues Orchester angehört und ist von dessen Klang überzeugt.


Wie lässt sich denn das deuten?


Der Innovater Hector Varela

Natürlich war D’Arienzo 1940 ein Mythos und einer der besten Arbeitgeber. Trotzdem verließ ihn Anfang 1940 während des schon traditionellen Aufenthalts in der Sommerfrische in Montevideo seine gesamte Mannschaft einschließlich des Sängers Alberto Echagüe. Weil D'Arienzo eine Erhöhung des auch bisher schon beachtlichen Salärs verweigerte, starteten sie unter der Leitung des bisherigen Pianisten und Arrangeurs Juan Polito ihr eigenes Projekt. Zwar schlug sich der Trupp viele Jahre ganz gut durch, großer Erfolg stellte sich aber nicht ein.

Quirlig und umtriebig wie D’Arienzo war, konnte er bald mit einem neuen, noch hochkarätigeren Ensemble antreten. Der Bandoneonist Hector Varela stellte ihm seine gerade neu geformte Truppe zur Verfügung. Dazu gesellte sich der legendäre Geiger Cayetano Puglisi und intonierte von nun an die typischen langgezogenen Soli auf der tiefsten Geigensaite.

Fulivo Salamanca - neues Kraftzentrum am Piano

Neben der Rhythmusmaschine der fünf virtuos agierenden Bandoneons bildet das kraftvoll gespielte Klavier in D’Arienzos Tangokosmos das musikalische Kraftzentrum.

Fulvio Salamanca, von D’Arienzo bei der letzten Tournee in der Provinz entdeckt, übernahm, blutjung, aber perfekt ausgebildet, diese Aufgabe und blieb 17 Jahre. Es fehlte noch ein Ersatz für den Sänger Alberto Echagüe, denn die Stimmen, für die sich D'Arienzo zunächst entschied, Alberto Reynal (El tigre Millán, 1940) und Carlos Casares (Ríe, payaso, 1940) sind gefällig, aber nicht allererste Liga.


Das Supercasting - Die Entdeckung Hector Maurés

D’Arienzo veranstaltete einen Wettbewerb. Knapp 100 Sänger, akkurat gekleidet, standen vor den Studios von Radio El Mundo Schlange. Der Auftritt Hector Maurés am Ende des Tages beendete schlagartig das Casting.

Mit ihm erhielt das Melodische und Feine mehr Raum, seine Stimme ist sehr viel weicher, sie passt gut in diese etwas feinfühligere Phase des Orchesters. Die Einspielungen dieser Jahre zählen für viele zu den intensivsten und sensibelsten der über 50 Jahre dauernden Karriere D’Arienzos.

Zumindest für 15 Monate übernahm Juan Carlos Lamas als zweiter Sänger Echagües etwas gröberes Compadrito-Repertoire, bis er sich als Solo-Star versuchte.


Armando Laborde

Maurés Nachfolger, Armando Laborde, hieß eigentlich José Atilio Dattoli. Als 22-jähriges arbeitsloses Talent musste er sich das Geld für die Taxifahrt zum Casting noch von seinen Freunden leihen. Doch er bekam den Job und begleite den Meister – noch 'namenlos' – in die Sommerfrische nach Montevideo. Weil die Plattenfirma den neuen Star bewerben wollte, verlangte sie nach einem Namen, wie üblich erhielt er diesen vom Chef. Bei der nächtlichen Heimfahrt fragte D’Arienzo den Busfahrer, wie er denn heiße. Die Antwort war „Armando Laborde“ ...


Das neue Orchester von 1950 - 1957

1950 erlebte die Tangokultur noch einmal einen Schub. Es entstanden neue Plattenlabel, viele Bands, von denen man mehrere Jahre wenig gehört hatte, gingen wieder in die Studios, Di Sarli startete neu bei Music Hall, Donato nahm wieder auf, Juan Polito bekommt einen Plattenvertrag, und auch bei D'Arienzo begann eine ganz neue Phase.


Hector Varela verlässt das Orchester

Mitte 1950 nutzte Hector Varela, das Zentrum des Orchesters der letzten Dekade, die Gunst der Stunde und gründete ein eigenes Orchester, mit dem er viele Jahre erfolgreich sein sollte. Zwei von D'Arienzos Bandoneons gingen mit ihm.


Neue Musiker

Carlos Lázzari - Bandoneon

Der Fünfundzwanzigjährige wechselte nach Erfahrungen bei Caló, Maderna, Canaro und Domingo Federico mit 25 Jahren zu D'Arienzo und blieb bis 1975.

Er arrangierte weniger komplex als Varela, Seine Arrangements leben in den Händen seines Neffen in der aktuellen Combo La Juan D'Arienzo weiter.


Enrique Alessio

Er war Teil der Gründungsformation des Pugliese-Orchesters, leitete dann das Begleitorchester für Alberto Castillo, bis er den sicheren, gut bezahlten Arbeitsplatz bei D'Arienzo bevorzugte.


Ein neuer - alter Sound

D'Arienzo verließ mit der neuen Formation endgültig wieder die lyrischen, melodischen Pfade, die er mit Mauré und Varela eingeschlagen hatte, und wandte sich wieder der Song-Struktur und dem Repertoire der späten Dreißiger zu, als er seinen Durchbruch erlebte. Doch die neue Band hat mehr Wucht, mehr Tiefe, ist teilweise aber auch gröber, nicht immer ganz ausgewogen.

Insgesamt tendieren die eigentlich brillanten Musiker dazu, durchgehend zu laut und zu wuchtig zu sein. Gepaart mit zu dramatischem Gesang und albernem Repertoir (El Hipo=Der Schluck-auf) fehlt dem Orchester teilweise das Lyrische und Ausbalancierte. Allerdings gab es auch wenige vernünftige neue Kompositionen.


La Cumparsita 1951

Zahlreiche Instrumental-Stücke sind dennoch herausragend, z.B. Yapeyu, Tucumán (1951) oder El Puntazo (1952), und natürlich die Cumparstia von 1951. Sie schlug so ein, dass D'Arienzo von nun an jede Vorstellung damit enden musste, eine Tradition war geboren. In den nächsten Jahren sollten über 14 Millionen dieser Schellack verkauft werden. Rekord!!


Nachdem RCA 1953 auf das neu Aufnahmeverfahren mit Tape-Mastern umgestiegen war, nahm D'Arienzo im folgenden Jahr erfolgreich zahlreiche seiner Klassiker erneut auf.


1957 - Das Ende der Ära Salamanca

Nach der Karnevalssaison litt D'Arienzo an einem Leistenbruch. Der 57-Jährige zog sich zwischenzeitlich zurück, einige Musiker gingen neue Wege.

Insbesondere Salamanca gründete sein eigenes Orchester, (Mehr Infos hier), Echagüe und Laborde ließen sich von Alberto di Paulo begleiten.


Gegen den Niedergang 1955 - 1972

Schon vorher hatte der Tango viel von seinem Glanz verloren, doch mit dem Sturz Perons auch seinen Protektor.
1958 schloss als eines der letzten großen Cabarets auch das Chantecler, 1960 wurde es abgerissen.

Ein Artikel über das Cabaret Chantecler


Der Club del Clan fegt durchs Land

Gegen die Invasion des Rock'n Roll und anderer ausländischer Musik wurde in Argentinien 1962 von RCA die TV-Sendung Club del Clan, in der junge, frische, hübsche Musikerïnnen verschiedenste lateinamerikanische Stile präsentierten, durch viel Werbung zu einem riesigen Hype. Tango verlor weiter an Bedeutung, war nur noch ein Genre unter vielen. Es wundert nicht, dass RCA im selben Jahr alle Master der Tangos der Epocha de Oro entsorgte, sodass heute fast immer die einzige Quelle Schellacks sind!!!


D’Arienzos Orchester überlebte als eines der wenigen den Niedergang der Tangokultur. Er veröffentlichte weiter regelmäßig, hielt am klaren Beat fest, wenn auch die Arrangements – spätestens seit dem Abgang von Fulvio Salamanca 1957 – sehr reichhaltig, mächtig und geigig wurden. Der Sound des neuen Arrangeurs Carlos Lazzari erinnert teilweise an die großen Big Bands der Zeit.


Die späten Jahre- Juan Polito, Ernesto Franco, Osvaldo Ramós

Nachem D'Arienzo nach überraschend schneller Rekonvaleszenz den alten Gefährten Juan Polito als Ersatz für Salamanca gefunden hatte, entschied er sich für das Sängerduo Jorge Valdez und Mario Bustos.

Der Sound bleibt fett, wuchtig, bigbandhaft, der Gesang ist meist zu viel.

Osvaldo Ramós

ist für mich auf jeden Fall die stärkste Stimme der späten Jahre, (Sentimiento Gaucho, Dimelo al Oido, Mi Dolor oder El Bar de Rosendo).



Das Erbe

Der Stil lebt, auch nach dem Tod des Meisters, weiter in Nachfolgebands wie Los Solistas del D'Arienzo oder Los Reyes del Compas.

Aber auch Gruppierungen wie Los auténticos Reyes, Los Grandes del Compás, Orquesta Simbolo Juan D'Arienzo oder Los Reyes del Tango fühlen sich durch mindestens einen Musiker sowie die Spieltradition mit dem Rey del Compas verbunden.


Lazzaris Neffe Facundo spielte nach Carlos Lazzaris Tod zunächt selbst bei den Solistas und gründete dann mit den Arrangements seines Onkels 2012 La Juan D'Arienzo, eine Combo die regelmäßig Festivals rockt.


Und der Sänger Pablo Ramós, Sohn des Sängers Osvaldo Ramós, gründete 2009 Los Herederos del Compás, neben vielen Auftritten entstanden mehrere CDs.





D'Arienzo en Japon?

1968 und 1970 machte sich das Orchester, vom japanischen Kaiser persönlich eingeladen, auch ins ferne Japan auf. Alberto Echagüe sang dort sogar einen Tango auf japanisch. Allerdings waren sie ohne den Maestro unterwegs, der wegen Carlos Gardels tragischem Tod bei einem Flugzeugabsturz zeitlebens das Fliegen verweigerte.


D'Arienzo privat

Was wollte D’Arienzo auch in Japan, er war ein waschechter Porteño, neben der Welt des Tango galt seine Leidenschaft dem Spiel. Ein guter Teil seiner immensen Einkünfte verpuffte auf den Pferderennbahnen, beim Roulette, aber auch mit den Zigarillos, die ihn ständig begleiteten.





D’Arienzo für Tänzer

In einem vielzitierten Interview von 1949 sagte D’Arienzo, Tango sei in erster Linie Rhythmus, nervöse Energie, Kraft und Charakter. Viele lieben die Energie dieser Musik, manche lehnen sie wegen der einseitigen Konzentration auf den Beat ab. Kaum ein DJ gestaltet einen Abend ohne D’Arienzo, der fast 1.000 Aufnahmen einspielte.




Knackige Milongas:

Zwar sind D’Arienzos Milongas deutlich schneller als z.B. die von Canaro, insbesondere die Nummern vor 1940 sind jedoch alle durchgehend gut tanzbar. Hierzu zählen Instrumentalklassiker wie De pura cepa (1935), Milonga, vieja milonga (1937), El esquinazo (1938), das ist die mit dem Stampfen, oder El temblor (1938), Milonga querida bzw. De antaño, (1939, 110bpm), Meta fierro (1939, mit Glossa) mit dem Sänger Alberto Echagüe.

Auch wenn D’Arienzo seinem Stil durch die Jahrzehnte treu bleibt, sind die späten Milongas von wenigen Ausnahmen (Milonga de mis Amores, 1970) abgesehen hektisch und klanglich sehr aufgeblasen.


De Pura Cepa
Jonatan Agüero & Virginia Pandolfi, Sunderland/BA, 2016


Milonga querida
Fausto Carpino & Stéphanie Fesneau - Mediterranean Summer Tango Festival 2018
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El esquinazo
Diego Quispe & Marina Alcalde, Obelisce Tango, 2015


Rasante Valses

D’Arienzo wollte, dass der Saal rockt, dass die Tänzer mitgerissen werden.

Er spielte daher im Verhältnis viele Milongas und Valses ein. Die Konzentration auf den Beat funktioniert bei den Valses fast durchgehend, wie die Milongas zählen sie zum Standardrepertoire jedes DJs.

In Orillas de Plata (1935) treibt eine präzise Rhythmusmaschine aus Bass, linker Klavierhand und Bandoneons voran, während das typische Geigensolo die Tänzer schweben lässt. Miedo (1940), eingespielt vom Star-Orchester mit Varela, Salamanca, Puglise und dem Sänger Mauré, beeindruckt mit Geschwindigkeit, Energie, Subtilität und einem komplexen, melodiösen Arrangement.

Insbesondere die intensiven Valses der frühen 40er mit Héctor Mauré als Sänger sind vielfach in rasend schnellem Tempo eingespielt: Adiós querida (1941, 78 bpm), Miedo (1940, 75 bpm), Flor de Mal (1940, 74 bpm).


Flor del mal
Maria Ines Bogado and Sebastian Jimenez, Lodz, 2014




Etwas schmalziger, ruhiger, aber immer auf den grandiosen Tastenschlägen von Fulvio Salamca aufbauend tragen Valses aus späteren Jahren uns Tanzende energievoll voran:
Eterna (1948-Echagüe)
No llores, Madre (1951, Roberto Lemos)


Etwas kitschiger und mit aufdringlicherer Stimme:
La sonrisa de Mama (1954, Laborde)
Me quieres y te quiero (1956, Laborde)


Valsecito de antes (1937)
Clarisa Aragon and Jonathan Saavedra – , Berlin, 2019

Miedo (1940)
Clarisa Aragón & Jonathan Saavedra, Istanbul, 2019

Cuatro Palabras (1941-Mauré)
Fausto Carpino & Stephanie Fesneau - Bregenz - 2021



Pasion 1937)
Eloy Souto & Laura Elizondo - Mallorca, 2011


Fibras - rasend schnell !!!


Noelia Hurtado and Gaston Torelli - Berlin - 2018


Amor y Celos (1936)
Milena Plebs & Sergey SokhnenkoSt. Petersburg, 2017


El aeroplano
Clarisa Aragon and Jonathan Saavedra –  Halle, 2018


Miedo


Lucas Gauto & Naima Gerasopoulou - Griechenland - 2018


Orillas de la Plata 1935
Fausto Carpino+Stéphanie Fesneau, OsterTango Basel, 2017


Recuerdos de la Pampa (1939 - Echagüe)
Stephanie Fesneau y Fausto Carpino - Belgrad - 2019



Corazon De Artista
Kalganova Eleonora  & Michael Nadtochi, Denver, Colorado, 2017


Tangos im Taktschlag

Die ersten drei Dutzend Aufnahmen mit dem neuen Orchester von 1935 wie Re fa si (1935) oder Rawson (1936) sind fast durchgehend instrumental, der stakkatohaft vorgetragene Beat ist sehr dominant.

Besonders filigrane rhythmische Spielereien Biagis finden sich in Pico Blanco (1939) oder in Mandria (1939) mit Alberto Echagüe.

Der Sound zu Beginn der 40er-Jahre ist viel reichhaltiger. Maurés Gesang darf mehr in den Vordergrund treten, scheint teilweise im Wettstreit mit den betörenden Melodielinien von Puglisis Geige zu stehen, während das sehr viel breiter angelegte Klavierspiel Salamancas die komplexen Arrangements antreibt.

Man hört dies sehr schön in Claudinette (1942) oder in der fantastischen Version von Uno (1943) mit Héctor Mauré.


Ansiedad
Yanina Quinones Neri Piliu - Zürich - 2018



Rawson
Jose Luis Salvo e Carla Ross, Mailand, 2019



La Bicoca
Juampy Ramirez & Daniel Arroyo - Ljubljana 2018



Pico Blanco (1939)


No mientas
Noelia Hurtado and Gaston Torelli – Berlin - 2016




Trago Amargo
Gustavo Rosas y Gisela Natoli - Catania - Sizilien - 2010


Mandria
Carlos Espinoza & Noelia Hurtado, Lyon, 2019
Einer der Besten, kein Wunder, dass es so viele Performances davon gibt.



Amarras
Neri Piliu & Yanina Quinones -
Oxford - 2017


El Olivo
Carlos Espinoza & Agustina Piaggio - Hamburg - 2021


Claudinette (Maure)



Uno (Maure)
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El Olivo
Clarisa Aragon and Jonathan Saavedra, San Francisco, 2018

Bis 1975 nahm D’Arienzo auf.

Und er blieb sich treu. Zwar gab auch er, dem Geschmack der Zeit folgend, den Sängern mehr Raum, doch er degradierte sich nie zur Begleitung eines divenhaft verehrten Sängers, wie er es im erwähnten Interview von 1949 den anderen Orchestern vorwarf.

Stattdessen entstanden zum Beispiel sehr energiereiche Instrumentalnummern wie Tucumán (1950) oder Yapeyú (1951), kräftige Stücke mit seinem wichtigsten Sänger, Echagüe oder aufwändig arrangierte wuchtige Einspielungen mit dem grandiosen Sänger Osvaldo Ramós wie Sentimiento Gaucho (1965) oder Mi Dolor (1972).



El puntazo
Carlos & Mirella Santos David, Grecia, 2020


Yapeyu
Virginia Gomez and Christian Marquez, Warschau, 2019



La Cachila
Yanina Quiñones y Neri Piliù - Tel-Aviv - 2019




Sentimiento Gaucho
Voc: Osvaldo Ramos


"Sentimiento Gaucho" mit dem Sänger Osvaldo Ramos ist einer meiner absoluten Favoriten. Wenn Ramos mit seinem Gesang einsetzt - Gänsehaut. Und hier paart sicht die Wucht der D'Arienzo-Rhythmusmaschine mit viel Musikalität, Dynamik und Melodie.

Mi Dolor
Sebastián Avendaño & Tanya Margarita Gutierrez Lara Paris - 2019


Este es el Rey
Maxi Copello & Cecilia Vicencio - San Jose, California, USA-2017

Aus dieser späten Zeit gibt es auch noch einige packende, außergewöhnliche Instrumentalnummern. Adios Coco
Este es el Rey
Inspiracion
um nur eine kleine Auswahl zu nennen.


Rie Payaso
Aoniken Quiroga & Noelia Barsi - Artetango Albi 2018


Adios Coco
Mariana et Dimitris Tango, Athen, 2014

Mein nächster Liebling!!!
Und was für eine Choreographie!!

Von großer Qualität sind die insgesamt sechs Einspielungen von "La Cumparsita" zwischen 1928 und 1971, wobei die von 1951 als die stärkste angesehen wird.


La Cumparsita (1928)
D'Arienzo vor  D'Arienzo


La Cumparsita (1951)
der Klassiker


La Cumparsita (1961) - TV
Beeindruckend das gemeinsame Solo der Fila del bandoneon

La Cumparsita (1971)
die letzte Einspielung








Große Musiker im Schatten des Maestros D’Arienzo

Die wirtschaftlich erfolgreichsten Tangueros, Francisco Canaro und Juan D’Arienzo, aber auch Miguel Caló, spielten seit Mitte der 30er Jahre nicht mehr selbst im Orchester, sie agierten mehr als Manager ihrer Marke. Während einmalige Musiker wie Carlos Di Sarli oder Lucio Demare mit ihrem virtuosen Spiel, ihren Arrangements und durch tägliches Proben ihre präzisen musikalischen Vorstellungen verwirklichten, bestand Juan D’Arienzo natürlich auf seinem Stil: Rhythmus, Nervosität, Energie. Die tagtägliche Feinarbeit und das Arrangement erledigten aber seine herausragenden Pianisten oder ersten Bandoneonspieler, die gleichzeitig als Instrumentalisten glänzten und nach ihrem Ausscheiden eigene Stile entwickelten.
Neben Rodolfo Biagi, der entscheidend zur Entstehung des D’Arienzo-Sounds beigetrug, prägten die Pianisten Juan Polito und Fulvio Salamanca, der Bandoneonist Hector Varela sowie der legendäre Geiger Cayetano Puglisi über lange Jahre den musikalischen Kern der Marke D’Arienzo.



Cayetano Puglisi (1902 - 1968) – ‚El Talento’

Der Sizilianer entstammte einer sehr musikalischen Familie und war mit dieser 1909 nach Buenos Aires ausgewandert. Sein Talent als Geiger war so groß, dass er schon als 13-Jähriger mit einem Kindertrio in den Cafés des Zentrums Erfolg hatte, wo er von Roberto Firpo entdeckt und wie von einem Vater gefördert wurde. So war das Wunderkind 1917 vor genau 100 Jahren mit von der Partie, als Firpo die allererste Version von "La Cumparsita" ins Wachs pressen ließ.
Firpo widmete dem 16-jährigen Cayetano sogar einen Tango namens "El Talento" (1918). Der Begnadete spielte in verschiedensten Orchestern sowie oft als gefragter Gast- und Studiomusiker. Um 1929 leitete er ein eigenes Sextett, die erste Aufnahme war ... La Cumparsita (1929).

1940 startete der 28 Jahre dauernde zweite Teil seiner Karriere: Bis zu seinem Tod 1968 intonierte er mit seinem einzigartigen Sound das für D’Arienzos Musik so typische kurze Solo auf der tiefen Geigensaite. Die damit verbundene musikalische Einengung und intensive Arbeit nahm er in Kauf. D’Arienzo zahlte mehr als alle anderen, im Sog von dessen Ruhm konnte Puglisi mit seinem ganz herzerweichenden Geigenton Millionen Menschen in der Seele treffen und 1943, 1951 und 1963 drei weitere Versionen von La Cumparsita mit seinen Soli versüßen. Nur wenige Musiker spielten über 50 Jahre immer die erste Geige! Du findest Puglise als Sologeiger im allerersten Video dieser Seite ("Loca", 1:50)


Que queres con ese loro - 1929
Voc: Roberto Diaz
(ein Video mit vielen schönen Illustrationen)





Hector Varela (1914 – 1987) – Der dramatische Bombastiker

Hector Varela war ein kerniger Porteño, ein Frauenheld mit nach hinten gegelten Haaren, und zockte – wie sein Chef – leidenschaftlich beim Pferderennen. Über 20 Kompositionen steuerte Varela zum D’Arienzo-Repertoire bei, mehr als zehn Jahre war er für Arrangement und Orchesterleitung zuständig, denn bei Auftritten kam D’Arienzo oft erst nach einer Stunde auf die Bühne, um seine wilde Dirigenten-Gymnastik zu zelebrieren. 1950 dann, mitten in einer sehr starken, erfolgreichen Phase D’Arienzos, gründete Varela, zusammen mit dem Sänger Laborde, eine eigene Formation. Die war bis 1975 nicht nur in Argentinien mit ihrem rhythmischen, gleichzeitig aber auch sehr popig-geigigen Sound sehr populär, so dass Varela in 25 Jahren mit seinen Orchestern 383 Tangos aufnahm. Einige seiner Aufnahmen gehören zu den meistverkauften Hits der argentinischen "Charts".

Varelas satter Sound stößt unter Tänzern auf ein geteiltes Echo.
Im Gegensatz zu progressiveren Zeitgenossen wie Pugliese, Gobbi oder Salgán arrangierte Varela für Tänzer, ein klarer Compás bildet fast immer die Grundlage seiner teilweise schlagerhaften, aber auch harmonisch anspruchsvollen Musik. Die Dominanz der Geigen und der bombastische Sound finden bei Traditionalisten zwar keinen Anklang, dennoch muss man anerkennen, dass seine großen Hits wie "Fueron tres años" (1956, Argentino Ledesma) oder Instrumentalstücke wie "Mi dolor" (1953) oder Pa' que te oigan Bandoneón (1956) eine fast schon einmalige Energie auf die Tänzer übertragen. Zu Varelas größten Kompositionen zählen sicher "Fumando Espero" (1960) und "Fueron tres años" (1956).
Als DJ spiele ich selbst am liebsten "Pacienca" (1951) und "Yuyo brujo" (1951).

Fueron Tres Años
Eric Dinzel y Diana Suárez -  Salon Canning/BA - 2013


Pa' Que Te Oigan Bandoneón
Sebastian Arce & Mariana Montes, Baltimore, 2011


Pacienca (1951)



Fulvio Salamanca (1921-1999) –  Meister des süßen Klangteppichs

Spielen zu Beginn einer Tanda die Geigen unisono in den höchsten Registern und legen einen wundervollen melodiösen Klangteppich über einen ganz eigenen, mächtigen Beat, dann erwartet die Tänzer eine wuchtig-romantische Tanda des Ausnahmepianisten Fulvio Salamanca.

17 Jahre lang bildete Salamanca mit kräftigen Akkorden und filigranen Melodielinien das Zentrum von D’Arienzos Rhythmusmaschine, lenkte vom Piano aus das Orchester, war seit dem Abgang Varelas Arrangeur sowie Leiter des Orchesters und nahm mit dem Maestro in dieser Zeit 380 Titel auf. Viele zählen ihn zu den ganz großen Pianisten. Doch 1957, er war erst 37 Jahre alt, wurde ihm das Dasein im Orchester des gefragten, umtriebigen Meisters zu aufreibend, er fühlte sich dadurch „isoliert“ und beschloss, von nun an seinen eigenen Weg zu gehen, wobei er sich anfangs über die Richtung noch gar nicht klar war.

Spätabends, im Frühjahr 1957, auf dem Nachhauseweg beim Wechseln der Buslinien, traf Salamanca seinen alten Freund und Bandoneonspieler Eduardo Cortti, der in der Szene weit besser vernetzt war, und überzeugte ihn in der nächsten Bar, gemeinsam ein eigenes Orchester zu gründen. Sie konnten großartiger Musiker für sich gewinnen wie die Geigen-Legenden Elvino Vardaro und Aquiles Aguilar oder die Sänger Jorge Garré sowie Armando Guerrico aus Uruguay.

Lange studierte Salamanca mit seinen Bandoneons den Marcato ein, also die Art, wie die gemeinsam stampfenden Bandoneons den Beat intonieren. Er wollte etwas ganz Eigenes, Neues, wollte sich von D’Arienzo absetzen. Und er entwickelte einen schiebenden Doppelschlag, wuchtig-weich, aber immer präsent und energiereich.

Aus einem geselligen Abendessen mit seinen Musikern entwickelte sich dann der zweite wichtige Aspekt, der Salamancas Musik so einmalig macht. Armando Guerrico sang leise eine bisher unbekannte Melodie, "Adiós corazón". Nach einigem Suchen erwarb Salamanca Noten und Rechte aus Uruguay. Beim Setzen der Noten fand er, was er suchte: seinen Touch, seinen Sound, sein Markenzeichen, nämlich die im höchsten Register unisolo spielenden Geigen, die einzigartig mit dem Gesang Guerricos korrespondieren. "Adiós Corazon" (1957) wurde ein Riesenhit, von ähnlicher Qualität sind "Manu Cruel" (1958), "Bomboncito" (1958) und die wunderbare Einspielung von Puglieses bahnbrechender Komposition "Recuerdo" (1959), im Duett gesungen von Armando Guerrico und Luis Correa. Diese grandiosen Aufnahmen klingen wie eben erst aufgenommen, manchen Tanzenden sind sie jedoch zu geigenlastig.

Salamanca war überzeugter Kommunist, weswegen er wiederholt von der Militärjunta verhaftet wurde und Aufführungsverbot bekam. Schon D’Arienzo hatte seinen jungen Musiker mehrfach aus den Händen der Polizei befreit. Seine Konflikte mit dem Regime trugen sicher dazu bei, dass Salamanca sich in den 60er-Jahren auf monatelange Tourneen durch Uruguay und Chile begab. In Japan fand seine Musik großen Anklang, 1975 war er dort mit einem Sextett auf Tournee und machte Aufnahmen.


Recuerdo
Sayaka Higuchi and Joscha Engel, BA, 2019


Mano Cruel


Adiós Corazón
Miriam Larici & Leonardo Barrionuevo, 2017


El Taíta






Juan Polito (1908 - 1981) – Der Rückkehrer

Dass er am wenigsten ein eigenes Profil entwickelte, verwundert insofern nicht, als er den D’Arienzo-Sound über Jahrzehnte wie kein anderer selbst prägte.

Aus einer vielköpfigen Musikerfamilie stammend, spielte Juan seit Mitte der 20er-Jahre Seite an Seite mit Größen wie dem Orchesterleiter und Bandoneonisten Juan Maglio (‚Pacho’) oder dem legendären Geiger Elvino Vardaro. Ende 1928 begann Politos Karriere als Orchesterleiter, wie damals üblich mit schnell wechselnden Besetzungen. Zwischenzeitlich leitete er das Hausorchester des Labels Brunswick.
1938 ersetzte Juan Polito Rodolfo Biagi.
Er musste dessen einzigarten Stil imitieren, er entwickelte diesen aber auch durch sein variantenreicheres Spiel weiter. Polito war Pianist und Arrangeur D’Arienzos, als Komponist hinterließ er den Vals "Castigo" (1939), vor allem aber einen der besten Tangos, den D’Arienzo einspielte: "La Bruja" (1939). Nach der Karnevalssaison 1940 verließ er mit nahezu allen Musikern einschließlich des Sängers Echagüe D’Arienzo, machte erfolgreich Solokarriere in Cabarets und eroberte sich 1943 den wichtigsten Sendeplatz auf Radio Belgrano. Aufnahmen liegen allerdings erst aus dem Jahr 1950 für das Label Pampa vor, traditionelle Nummern im Stil des Rey del Compás mit einer unbändigen Kraft, wie Politos Komposition „La Bruja“ (1952), die leider auf CD kaum erhältlich sind. Nach dem Abgang Salamancas kehrte Polito am 8. Mai 1957 erneut als Pianist und Arrangeur zu D’Arienzo zurück, stand dem Orchester bis zu dessen Auflösung vor und leitete es während der beiden Reisen ins tangobegeisterte Japan, an denen D’Arienzo wegen seiner Flugangst nicht teilnahm.





Que noche 1953