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Getting to know: Twenty Tango Orchestras

von David Thomas

(2022)
David Thomas widmet sich in seinem 2016 bisher nur auf Englisch erschienen Taschenbuch auf rund 220 Seiten den zwanzig wichtigsten Orchestern der großen Zeit des Tangobooms der 30er und 40er-Jahre.

Seine Motivation formuliert er im Vorwort: So wie ihm als Jugendlichem die Beatles, deren Poster in seinem Zimmer hingen, ans Herz gewachsen waren, sollen uns Tangobegeisterten die großen Orchesterleiter und ihre Musiker vertraut werden, Tangomania, nur ohne Poster.

Eine konsequente, klare Gliederung hilft dem Leser sich schnell zurecht zu finden.

Dazu werden die Orchester zunächst in vier Kategorien eingeteilt.
Francisco Canaro, Franciso Lomuto, Edgardo Donato, Orquesta Típica Victor und Roberto Firpo bilden die Kategorie „einfach“ (The Simple), im Kapitel „rhythmisch“ (The rhythmical) werden in diesem Buch Juan D’Arienzo, Rodolfo Biagi, Ricardo Tanturi, Enrique Rodríguez und Ricardo Malerba zusammengefasst, zu den lyrischen Orchestern (The lyrical) zählt der Autor Osvaldo Fresedo, Carlos Di Sarli, Miguel Caló, Lucio Demare, Angel D’Agostino sowie Alfredo de Angelis, während Julio de Caro, Pedro Laurenz, Osvaldo Pugliese und Aníbal Troilo unter dem Label „komplex“ (The complex) gruppiert werden. Im Anhang werden in sehr knappen Listen ausgewählte Daten zu den Orchesterleitern angeführt.

Den Orchestern selbst nähert sich das Buch in je vier Abschnitten
„Personal Story“ widmet sich biographischen Aspekten, „Signature Sounds“ arbeitet musikalische Besonderheiten heraus, insbesondere werden dem Leser Kennzeichen und Merkmale dargeboten, anhand derer sich die Orchester sicher unterscheiden lassen, wodurch für eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Musik oft kein Platz bleibt.

Die Abschnitte „Singers“ sowie „Musicians“ stellen Musiker und Sänger des Orchesters vor.

David Thomas informiert den Leser in angenehmem, gut verständlichem, teilweise locker formuliertem Englisch, er skizziert in knappen Zügen Biografisches, streift einige Stationen der musikalischen Entwicklung und weist pro Orchester auf fünf bis zwölf Hörbeispiele hin, die über seine Homepage erreichbar sind.

Dazu werden kleine Anekdoten und weniger bekanntes Detailwissen gemischt.

Der Leser erhält eine brauchbare Einführung in die wichtigen Orchester. Dies gelingt beispielsweise bei D’Arienzo oder dem Orquesta Típica Victor recht gut, insgesamt zieht das Konzept nicht.

Der knappe Umfang des Buches verlangt eigentlich eine Konzentration auf zentrale, wesentliche Aspekte.

Zu oft füllt David Thomas sein Papier aber mit recht inhaltsleeren und wenig zusammenhängenden Aussagen, es drängen sich verwandtschaftliche Beziehungen, völlig abgelegene Begebenheiten oder die Darstellung von Querbezügen zu anderen Orchestern in den Vordergrund. Die Beurteilung der Musik verbleibt sehr oberflächlich und trifft oft nicht das Wesentliche.

An manchen Stellen erweist sich die klare Struktur auch als lästiges Korsett: So verfügte nicht jedes Orchester über Spuren hinterlassende Musiker, etwas inhaltsleere Aufzählungen sind die Folge. Die Einteilung in Kategorien wie „einfach“ oder „lyrisch“ gibt zwar eine erste Orientierung, verstellt aber auch ein wenig den Blick auf die große musikalische Vielfältigkeit der einzelnen Orquesta Típica. Hinzu kommt die eine oder andere Ungenauigkeit, so spielt der Bandoneonist Héctor Varela bei David Thomas plötzlich Geige.

„Twenty Tango Orchestras“ stellt eine übersichtliche, aber oberflächliche Einführung dar, erste Wahl bleibt das 2012 erschienene Standardwerk „Tango Stories: Musical Secrets“ von Michael Lavocah, das mit viel Leidenschaft, sicherem Blick und großem Detailwissen tatsächlich Tangomania auslösen kann.